Katja Kabanowa steckt nicht nur im Gefängnis einer kalten Ehe, sie ist auch Gefangene spießbürgerlicher Moralvorstellungen, aus denen es summa summarum nur einen Ausweg gibt: den Tod. Leoš Janáček ließ sich nicht nur musikalisch von der tschechischen Folklore inspirieren, seine Themen sind tief in der Wertvorstellung dörflicher Gesinnung verwurzelt. Eine allzu menschliche Tragik, der Tonfall des Alltäglichen durchweben seine Werke. Umso schwieriger ist es, diese besondere Form der Dramatik ungeschmückt und wahrhaftig in Szene zu setzen.

Regisseur Tibor Torell gelingt diese Herausforderung nur bedingt. Zu groß der Abstand zu den Charakteren, zu nüchtern die Betrachtung der Geschehnisse, um den Funken über den Bühnenrand springen zu lassen. Es beschleicht einen das vage Gefühl, dass noch nicht alles zusammengewachsen ist, was zusammengehört. Als Einzelkämpfer stehen die Sänger auf der Bühne, und so bleibt die von Janáček beabsichtigte Leidenschaft und Lebendigkeit auf der Strecke.
Die sängerische Leistung des Ensembles lässt allerdings keine Wünsche übrig, und so kann man auch über das an vielen Stellen mangelnde schauspielerische Können getrost hinwegsehen. Ein saftiger Apfel schmeckt am besten, wenn er ein paar Tage liegt. Ein bisschen mehr Reife, und Katja Kabanowa kann eine würdige Nachfolgerin Jenufas werden.

Katja Kabanowa
Oper von Leoš Janáček

Inszenierung: Tibor Torell, Bühne: Piero Vinciguerra, Kostüme: Isabelle Kaiser, Musikalische Leitung: Justus Thorau

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