Die noch den ganzen Februar hindurch laufende Ausstellung mit Arbeiten der Amerikanerin Danielle Dean erschließt sich meinem Eindruck nach am einfachsten vom Ende her. Nicht dass eindeutig klar wäre, wo die Ausstellung beginnt oder endet. Intuitiv arbeitet man sich aber wohl von der Arbeit „True Red Ruin“ (2017), auf die man geradewegs zuläuft, weiter nach hinten zur raumfüllenden Installation „Bazar“ (2018) vor und findet erst am Schluss den Weg in den aktuellsten Teil. Dort befindet sich eine Wand, auf die das monumentale Video „Long Low Line“ projiziert wird, das zur Arbeit „Fordland“ (2019) gehört. Und genau dort sollte man meiner Meinung nach beginnen. Tipp: Nach Betreten der Halle gleich rechts halten und mutig durch den bemalten Industrievorhang gehen. Ist eine Abkürzung.

Das erwähnte Video wirkt auf den ersten Blick anrührend. Der Animationsfilm entwickelt sich mit zunehmender Laufzeit jedoch zu einer Dystopie. Es hagelt düstere Anspielungen. So beispielsweise auf Henry Fords größenwahnsinniges Projekt Fordlândia, eine Produktionsstätte für Autoreifen, die dieser in den 1920er Jahren im Urwald am Rio Tapajós in Amazonien aus dem Boden stampfen ließ. Manche Sequenzen erinnern von der Machart her frappierend an Disney-Produktionen. Der Eindruck kommt nicht von ungefähr. Dean simuliert in der Arbeit die Multiplan-Technik, die in den 1930er Jahren von Disney entwickelt wurde (um einen 3D-Effekt zu erzeugen) und nicht nur in Spielfilmen zum Einsatz kam, sondern auch die Werbung in den darauffolgenden Jahrzehnten ästhetisch dominierte.
Legt man von hier aus den Rückwärtsgang ein, so erschließen und verdichten sich viele Bezüge wie von selbst. Beispielsweise der Titel der Ausstellung, der einer Werbeanzeige der Ford Motor Company entliehen ist (Trigger Torque = Drehmoment). Ein bisschen muss man sich Danielle Dean als Ethnografin vorstellen, die die Ergebnisse ihrer Beobachtungen zueinander in Beziehung setzt und als Schichtmodelle (ganz wie die unterschiedlichen Ebenen bei der Multiplan-Technik) visualisiert.

Wie bei „Fordland“ geht es auch in den anderen oben bereits genannten Arbeiten vordergründig um Konsum und Werbung und nachgeschaltet, oder auf einer tieferen Ebene, um Herrschaftsstrukturen. Dean macht diese vor allem an Rollenzuschreibungen fest, wie sie ihr beispielsweise in Warenhauskatalogen, Tagesnachrichten oder politischen Äußerungen entgegentreten. Während die beschriebene „Sandwichtechnik“ die verschiedenen Ebenen eines Themas anhand von Modellen und Pappaufstellern in den Raum ausdehnt, addieren Videos eine Spielhandlung mit oft theaterhaften Zügen zum Werk hinzu. So verzahnen sich etliche Eindrücke zu einem komplexen Ganzen. Aber gerade weil „Trigger Torque“ mehr Fragen aufzuwerfen scheint, als Antworten anzubieten, lohnt sich die Auseinandersetzung mit Deans konzeptuellem Ansatz. Die Ausstellung ist ihre erste in Deutschland und wurde von Holger Otten kuratiert.

Foto: Birgit Franchy

Ludwig Forum für Internationale Kunst
Noch bis 1. März 2020

Am 16.02.2020 von 10:00 bis 17:00 Uhr ist Sparda-Tag.
Bei kostenlosem Museumseintritt wird ein Programm für Familien und Erwachsene veranstaltet. Besucher jeden Alters können in der offenen Kunstwerkstatt selbst Stop-Trick-Animationen erstellen. Um 11:00, 13:00 und 16:00 Uhr gibt es Führungen für Familien und um 12:00 sowie 14:00 Uhr bietet Dr. Karoline Schröder eine interaktive Führung an.

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