Bernd und Hilla Becher, Joachim Brohm, Irmel Kamp, Armin Linke, August Sander, Ulrich Wüst … – illustre Namen locken derzeit ins Leopold-Hoesch-Museum. Sie alle haben fotografische Phänomene festgehalten, die sich in Industrielandschaften ergeben. Museumsdirektorin Anja Dorn, die seit 2018 das Haus leitet, hat die „fotografische Bestandsaufnahme“ kuratiert.

Ausgangsmotiv des Ausstellungsprojekts ist das für die Sammlung des Leopold-Hoesch-Museums ikonische Gemälde „Das Lendersdorfer Walzwerk“ (siehe oben) von Carl Schütz (1796-1845) aus dem Jahr 1838. Es zeigt die Fabrik der Familie Hoesch in Düren-Lendersdorf.
Im Gedenken an den Industriellen Leopold Hoesch (1820-1899), der sich äußerst großzügig für seine Heimatstadt engagierte, wurde der prächtige Museumsbau im Jahre 1905 eingeweiht. Düren war damals wohlhabende Industriestadt und Kulturmetropole. Das Leopold-Hoesch-Museum war eins der 13 Gebäude, die den Bombenhagel im November 1944 zumindest teilweise überstanden. Noch heute zeugen geflickte Einschusslöcher in der Fassade von den damaligen Geschehnissen. Wirklich erholen konnte sich Düren nicht mehr von dem fatalen Schlag. Die Landschaft um Düren, zwischen Garzweiler und die Stauseen der Eifel ist bis heute durch ihre industrielle Nutzung geprägt.

Mit der Ausstellung will Anja Dorn dazu einladen, sich mit den eigenen Wahrnehmungen dieser Landschaft auseinanderzusetzen, die sich zwischen Tagebau, Kraftwerken und Hochspannungsmasten, Papierfabriken und Zuckerrübenäckern entspinnt. Als Inspiration hat sie Fotografen versammelt, die sich in unterschiedlichen Gegenden mit der Prägung der Landschaft durch Industrie auseinandergesetzt haben.
Einige Beispiele: Neben den 14 Fotos, mit denen Irmel Kamp Häuser mit Zinkfassaden dokumentierte, zeigt Albert Renger-Patzsch (1897-1966) in seinen Aufnahmen das Eindringen von Industriearchitektur in den ländlichen Raum des Ruhrtals in den 1920er Jahren. Joachim Brohm (* 1955) beobachtet in seinen Bildern aus den 70er und 80er Jahren, die zuletzt in der Ausstellung „Two Rivers“ im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen waren, die Landschaft und das Freizeitverhalten der Menschen entlang der Ruhr. Bernd und Hilla Becher (1931-2007 / 1934-2015) dürfen mit ihren streng komponierten Architekturfotos natürlich nicht fehlen. In der Ausstellung wird eine Serie von Fördertürmen gezeigt. Aglaia Konrad (* 1960) richtet mit ihrer Videoarbeit den Blick auf den Marmorbruch in Carrara. Erwähnenswert ist auch die Serie von Ulrich Wüst (* 1949): Die lakonischen Schwarzweißbilder „Dorf, die Gemeinde Nordwestuckermark“ (2014-2019) macht die Geister einer vergangenen, florierenden industriellen Landwirtschaft sichtbar.

„Vom Leben in Industrielandschaften“ ist eine Kooperation mit dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst. Im Februar 2021 soll es einen zweiten Teil des Projekts am Leopold-Hoesch-Museum geben. Die Ausstellung wird den Umbrüchen und Widersprüchen in der Darstellung von Industrielandschaften seit dem Beginn der Industrialisierung nachgehen und sowohl historische als auch zeitgenössische Malerei, Fotografie, Installationskunst und Film versammeln.

Vom Leben in Industrielandschaften – Eine fotografische Bestandsaufnahme
Bis 16.02.2020
Am Do 12.12.2019, 19:00 Uhr, im Café: Fotografische Recherchen lokaler Typologien – Irmel Kamp und Arne Schmitt im Gespräch

Albert Renger-Patzsch, Zeche Victoria Mathias in Essen, 1931
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