Das Wochenende nach dem Hochwasser in der Region: In Aachen herrscht bei Sonnenschein Urlaubsstimmung, auf dem Hangeweiher fahren die Menschen im Sonnenschein Bötchen. Nur wenige Kilometer weiter hat sich Mitte der Woche das Wasser von Inde, Vicht und Rur nach schweren Regenfällen von einer anderen Seite gezeigt. Mit unvorstellbarer Wucht ist es über die Ufer getreten. Das Wasser traf die Menschen unvorbereitet, viele erheben deshalb schwere Vorwürfe. Wie viele Ladeninhaberinnen und -inhaber, Anwohnerinnen und Anwohner in der Region ihre Existenz verloren haben, lässt sich noch nicht beziffern. In Stolberg ist kein Geschäft verschont geblieben, die meisten Inhaberinnen und Inhaber waren gegen Hochwasser nicht versichert, Cafés und Kneipen hatten nach Corona gerade erst wieder seit zwei Wochen geöffnet, Reserven sind aufgebraucht.

Unzählige Helfer und Helferinnen sind seit vier Tagen in den Krisenorten im Einsatz. Das Deutsche Rote Kreuz hat eine Sachspendensammlung ausgerufen, die bereits nach einem Tag gestoppt werden musste – so groß ist die Spendenbereitschaft der Bevölkerung, die Lager sind inzwischen gefüllt. Tausende Menschen haben sich zudem über eine Mailadresse gemeldet, um ihre Hilfe anzubieten – viele warten immer noch auf Rückmeldung. Wie sich herausstellt, ist die Adresse dafür gedacht, bei der DRK-Sammlung zu helfen, und nicht dafür, für Einsätze in den Orten eingeteilt zu werden. In Zeiten von Social Media sind die Hilfswilligen schneller, die sich über Facebook organisieren und sich dort vernetzen. Zahlreiche Menschen sind zudem spontan aufgebrochen und mit Schaufel, Besen und Muskelkraft zur Tat geschritten oder haben gekocht, gebacken, eingekauft. Dass es dabei auch zu Konflikten mit den offiziellen Organisationen kommt, bleibt nicht aus.

Ein Tag in Eschweiler und Stolberg, zu Wort kommen die Menschen vor Ort.

Eschweiler

Freya Fischer koordiniert die Sachspendensammlung in Eschweiler

Das Deutsche Rote Kreuz betreibt in Eschweiler-Dürwiss in einer Turnhalle eine der drei Sammelstellen für Sachspenden, die das DRK gemeinsam mit den Maltesern und der StädteRegion Aachen für die Hochwasseropfer eingerichtet hat. Vier junge Menschen sind gerade auf dem Weg dorthin, werden auf einer Liste namentlich erfasst. Sie haben sich spontan auf den Weg gemacht, um zu helfen. In der Nagelschmidtstraße 3 hat Freya Fischer heute die Verantwortung, koordiniert den Einsatz. Es ist kurz nach 9 Uhr, als Erstes bittet sie alle Helfenden in den Hof vor die Halle – da klingelt schon wieder das Telefon. In der Turnhalle türmen sich gigantische Berge von Spenden, angefangen bei Kleidung, Toilettenpapier und Hygieneartikeln bis zu den obligatorischen Kuscheltierbergen. Vieles ist schon sortiert, vieles noch nicht, außerdem müssen die Dinge verpackt werden.

Gebraucht werden nur noch Trinkwasserspenden, Kartons, Klebeband, Stifte und Big Bags, wie sie Baumärkte verwenden. Freya Fischer setzt schnell ein Facebookposting ab.
Rund 50 Menschen haben gestern beim Sortieren geholfen, heute sind auch schon rund 20 eingetroffen, sie werden in Gruppen aufgeteilt. Packen, sortieren, frühstücken. Eine alte Dame liefert Sachspenden. Dafür, dass diese nicht mehr angenommen werden, hat sie wenig Verständnis, diskutiert ein bisschen. Sie muss dennoch abrücken.

Freya Fischer wünscht sich, die Bürger würden nur die offiziellen Stellen für Spenden ansteuern. Sie beobachtet, dass viele Spendenaktionen über Social Media privat organisiert werden. Große Berge an Spenden, die dann über Firmen angeliefert werden, könnten schließlich nicht mehr angenommen werden. Zudem würden Hilfsorganisationen „auf den Spenden sitzen bleiben“, wenn bereits überall in den Straßen von Privatmenschen Dinge verteilt würden. Der Konflikt lässt sich wohl in Zeiten von Social Media nicht auflösen. Jedenfalls bekommen Menschen, die in Eschweiler etwas brauchen, dies im DRK-Lager in der Nagelschmidtstraße 3 in Eschweiler.

Inventar einer Kegelbahn in Eschweiler

Schon auf dem Weg in die Innenstadt wird klar, dass die Fluten hier gewütet haben. Vor einem Wohnblock türmen sich gigantische Berge verschlammter Möbel und Hausrat. Die Kegelbahn hat ihre gesamten Stühle auf die Straße gestellt. Bagger laden Schuttberge auf.

Die Inde hat sich wieder in ihr Flussbett zurückgezogen, eine Brücke ist gesperrt, verkeilte Bäume blockieren sie. Durch die komplette Fußgängerzone ist das Wasser gerast, teils meterhohe Müllberge türmen sich am Sonntag vor den Ladenlokalen. Überall sind Helfende im Einsatz.

Raphaela und Robert mit Kuchen und Getränken in der Eschweiler Fußgängerzone

An einer Ecke haben Raphaela und Robert einen kleinen Stand aufgebaut. Raphaela geht derzeit auf Krücken, selber anpacken können sie nicht. Also haben sie den zweiten Tag in Folge Kuchen und Brezeln gebacken und Brötchen belegt und Getränke vorbereitet. Nun verteilen sie diese gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter an die Hilfskräfte und Freiwilligen.

Urlaub abgebrochen um zu helfen – Mitarbeiterinnen der Stadt Eschweiler

An der Marienstraße ist ein THW-Zelt aufgebaut. Zwei Mitarbeiterinnen der Stadt Eschweiler, die ihre Namen lieber nicht angeben möchten, betreuten die Station. Hier können Handys aufgeladen werden, es gibt Getränke, Menschen ruhen sich aus. Die Anlaufstelle entwickle sich immer mehr zum Treffpunkt und zur Sozialstation, erzählt eine der Damen, eine Eschweiler Schulsekretärin, die extra ihren Urlaub abgebrochen hat, um hier zu helfen.

20 Meter Waren sind weggeschwommen – Usman Raja in seinem Shop in Eschweiler

Usman Raja betreibt seit sieben Jahren den Minipreisladen in der Fußgängerzone. Das Wasser kam mit so einer Wucht, dass es die Türen des Ladens aufgedrückt habe, die Waren – hauptsächlich aus Kunststoff – seien einfach davongeschwommen. Die Polizei habe ihn angerufen, weil Menschen im Laden plündern wollten. Trotzdem freue er sich über die große Hilfsbereitschaft vieler Menschen, die ihm beim Saubermachen helfen. Im Schaufenster liegen noch eine paar Bälle, die nicht fortgespült wurden. Er habe einem Kind einen geschenkt, schließlich habe er selber Kinder und wollte in dieser Situation jemandem eine Freude machen.

Anwohner erheben Vorwürfe: Wieso wurde nicht gewarnt?

In einer Postbankfiliale liegen Ordner zum Trocknen aus, zum Glück habe er die Kundendaten retten können, gibt der Inhaber an. Er erhebt Vorwürfe gegen die Stadt. Wieso seien die Bürger nicht gewarnt worden? In den Tiefgaragen seien alle Autos untergegangen, man habe keine Zeit gehabt, Hab und Gut zu sichern. Dafür kann er kein Verständnis aufbringen.

Plötzlich lernen Nachbarn sich kennen

An der Langwahn kommt ein älterer Herr aus einem Haus, hat großen Redebedarf. Seit Mittwoch habe er kein Strom und kein Gas. Er lebe alleine, Familie sei keine da, er kenne niemanden. Wieso das Land noch keine Suppenküche aufgebaut habe, fragt er sich. Informationen fehlen ihm. Ein einziges Mal sei das Ordnungsamt mit der Ansage „Strom wird zugeführt“ vorbeigefahren – passiert sei allerdings nichts.
Die Innenstadt sehe aus, als seien Bomben eingeschlagen. Er freut sich über die große Hilfsbereitschaft der Menschen, habe junge Leute gesehen, die den ganzen Tag in verschlammten Klamotten geholfen hätten, Containerfirmen, die unentgeltlich arbeiten. Und er habe plötzlich Nachbarn kennengelernt, die er vorher nie gesehen habe. Plötzlich seien alle füreinander da, sagt er gerührt.

Eugen wohnt in Eschweiler. Als er am Mittwochabend von der Arbeit in Aachen nach Hause kam, habe er zum Haus schwimmen müssen, gibt er an. Ein Verwandter betreibt im Haus eine Pizzeria. Teig für tausend Pizzen habe man vernichten müssen, eigentlich sei viel vorbestellt gewesen, erzählt er. Auch der Roller zum Ausliefern sei einfach weggeschwommen. Im Keller ist der Öltank umgekippt, das Öl hat sich mit dem Wasser vermengt und in den Garten ergossen. Traurig war er, als er seinen Keller leergeräumt hat. Als er die alten Märchenbücher und eine illustrierte Kinderbibel wegwerfen musste, habe er einen Kloß im Hals gehabt – er habe seinen Nichten und Neffen viel daraus vorgelesen und hatte geplant, sie ihnen zu schenken.

Stolberg

Die Innenstadt von Stolberg ist komplett zerstört. Wer den Ort anfährt, um zu helfen, muss außerhalb parken. Von Atsch aus kommt man zum Eisenbahnweg. Er liegt direkt an der Vicht, normalerweise ist sie ein kleiner Bach. Jetzt sind hier Brücken gesperrt oder gar nicht mehr vorhanden. Die Bahnschienen, die an dieser Stelle verlaufen, sind unterspült. Ein Motorrad liegt in der Böschung. Das Wohnviertel ist jetzt in absolut desolatem Zustand – Gärten sind verwüstet, Schlamm und Schutt wird noch auf die Straße geräumt.

Yasar konnte zwei Tage lang nicht nach Hause zurückkehren

Yasar kommt mit Wasserflaschen bepackt die Straße von Stolberg hoch. Als das Hochwasser begann, sei er bei Freunden in Eschweiler gewesen. Zwei Tage seien sie vom Wasser eingeschlossen gewesen, erst dann konnte er sich zu Fuß auf den Heimweg machen. Er zeigt auf ein massives Metalltor, das eine Bushaltestelle umgerissen hat, daneben liegt ein Dixi-Klo. Das Metalltor sei aus der Mauer einer Fabrik an der Straße gerissen worden, müsse rund drei Tonnen wiegen, sagt er. Wie Spielzeug habe das Wasser Autos, Möbel, Waren herumgeschleudert.
Aldi und Lidl wurden überspült, sind jetzt geschlossen. Wasser müsse man von Freunden oder Kilometer weiter in der Stadt besorgen – dieser Stadtteil wirkt etwas vergessen. Yasars Schwägerin betreibt ein großes Brautmodengeschäft in der Innenstadt. Es sei völlig zerstört worden. Eine Elementarversicherung habe man zwar, sie schließe jedoch Schäden durch Hochwasser aus, habe man nun im Kleingedruckten entdeckt.
Ein Freund betreibt den Club Enjoy. Gerade habe man sich auf die Eröffnung nach Corona vorbereitet. Yasar half mit, das DJ-Pult zu checken, LED-Lämpchen zu überprüfen, die Gläser schon für die Neueröffnung zu spülen. Alles sehr liebevoll angelegt. Alles kaputt. Das Wasser habe sogar die Deckenlampen erreicht.
Schwere Vorwürfe erhebt Yasar gegen das Land. Das Wasser aus der Talsperre, aus der sich auch der Vichtbach speist, hätte bereits zwei Wochen vorher kontrolliert abgelassen werden müssen, man habe gewusst, dass sich die Talsperren gefährlich füllen könnten. Er kennt sich aus, denn er hat selber vor Jahren bei Arbeiten an der Talsperre mitgewirkt.
Wenige Meter glitzern Steinchen an Brautkleidern im Matsch. Ein ehemals weißer Schleier hat sich in anderem Unrat verfangen.

Hochwasser Stolberg 2021

Die Bilder aus Stolbergs Innenstadt lassen sich kaum in Worte fassen. Man denkt unweigerlich an Bombeneinschläge, Bilder, die man nur aus dem Fernsehen kennt. Vollkommen zerstörte Autos sind in Wände und Bäume verkeilt. So gut wie kein Ladenlokal hat mehr Fenster. Bürgersteige sind aufgerissen, Krater tun sich in Straßen auf. Meterhohe Schuttberge, dazwischen vergammelnde Lebensmittel, teils kann man nur über Stege aus Türen waten.

Bljerim schaut sich um und erhebt ebenfalls Vorwürfe gegen die Regierung. Wieso seien die Menschen nicht gewarnt worden? Wieso wurden Talsperren zu spät geöffnet? Auch seine Schwester hat ihren Brautmodenladen verloren. Ist gerade aus dem abgebrochenen Urlaub zurückgekehrt. Nichte Dilan bezeichnet den Abend, an dem das Hochwasser kam, als einen der schlimmsten Tage ihres Lebens. Die Anfang 20-Jährige sollte für die Tante nach dem Laden schauen, fand sich rasend schnell im brusthohen Wasser wieder. Ein Verwandter musste sie herausziehen, fast wäre sie mitgerissen worden. Nur auf großen Umwegen gelang es ihr, mit dem Auto zu ihrer Familie in einem höher gelegenen Stadtteil zu gelangen. Der Schock sitzt noch Tage später tief, aber Dilan ist damit beschäftigt, Familie und Freunden bei der Schuttbeseitigung zu helfen, wenn sie nicht gerade in Aachen arbeitet.

Stolberg: Pizza für Helfende – gespendet von Sarah und Adem

An der Straße stehen Sarah und Adem. Auch sie leben in einem höher gelegenen Teil von Stolberg. „Wie helfen?“ haben sie sich gefragt und kurzerhand 12 Pizzen bestellt, die sie nun auf der Straße an Helfende verteilen.

Frisch gebackene Samosas und Getränke für Helfende

Ein paar Meter weiter verschenken freundliche Freiwillige selbstgebackene Samosas, Äpfel, Wasser und Apfelschorle aus einem Kastenwagen – auch dies eine spontane private Aktion.

Vor dem Rathaus und Stadtarchiv am Kaiserplatz haben Hilfsdienste ebenfalls Essens- und Getränkestände aufgebaut, man kann in einem Zelt Handys aufladen.

Vor dem Stadtarchiv in Stolberg helfen viele Freiwillige

Aus dem Stadtarchiv werden Kisten, Ordner, Karten getragen. Alles nass, alles matschig. Viele Freiwillige haben sich eingefunden, streichen Schlamm von Karten, packen Dinge aus matschigen Kartons. Hier hilft neben ganzen Familien mit Kind und Kegel auch die Bundeswehr, zu retten, was zu retten ist. Wenn etwas zu retten ist. Wer sich die Sachen anschaut, muss schon sehr viel Vorstellungskraft mitbringen. Aber so ergeht es einem ja bei dem ganzen Ort.

Nebenan am Rathaus ein Zettel. An Trauungen ist aufgrund der Lage nicht zu denken.

Absurd: Am Kaiserplatz sprudelt hinter einer Kulisse von Schrott der Springbrunnen.

Je weiter man sich den Steinweg entlang begibt, umso größer die Zerstörung. Hier sind Häuser eingestürzt, andere sind einsturzgefährdet.

Eine Familie steht vor ihrem Eigentum. Über zwei Meter hoch stand das Wasser in ihrem Haus und Hof. Autos schwammen, man habe sich in Angst in die zweite Etage gerettet. Das Weinlager mit hunderten Flaschen gutem Wein sei verloren. Der Mieter des Ladenlokals hat seine gigantische Plattensammlung auf die Straße geworfen. In verbogenen Hüllen wellt sich das Vinyl – alles hinüber. Seit mehreren Generationen lebt die Familie hier, so etwas habe es noch nicht gegeben. Gegenüber ist eine Brücke weggerissen worden, in einem Fenster über dem Bach steckt ein Baumstamm.

Desiree und Peter bringen Grillwürstchen an die Häuser

Zwei Menschen kommen vorbei, bringen Grillwürstchen. Etwas Gutes habe die Sache, versucht man es mit Galgenhumor: Noch nie habe man mehr zu essen gehabt. Freunde, Fremde – zig Menschen würden etwas bringen, Gulasch und Bolognese kochen.

Robert (zweiter von links) gibt an seinem Pub Freibier aus

Wieder ein paar Meter weiter hat Robert sein Pub geöffnet. Hinten ist es einsturzgefährdet, die aufgerissene Fensterfront ist zum Tresen geworden – es gibt Freibier für Helfende. „So eine Normalität haben wir seit Corona nicht gehabt“, macht Robert das Beste aus der Situation.

Sven (4. von links), Wil (Mitte) und Metin (2. von links) und ihre Truppe grillen für Stolberg

Am Willy-Brandt-Platz spielen sich großartige Szenen ab. Sven aus dem Frankenberger Viertel in Aachen, Wil aus Freund und ihr Bekannter Metin, der in Köln Fahrzeuge verleiht, haben eine private Versorgungsstation geschaffen. Es wird gegrillt, dazu gibt es allerlei Backwaren und Getränke. Alles Spenden natürlich. Desiree und Peter packen Grillgut in den Bauchkasten, tragen es zu den Menschen in die Häuser. An Biertischen kann man eine Pause einlegen und reden.

Halle der Artco-Galerie in Stolberg – hier lagerten 2.000 Kunstwerke

Jutta Melchers ruht sich etwas aus. An der Ecke des Platzes hat ihre Artco-Galerie aus Aachen ihr Lager. Rund 2.000 Kunstwerke waren hier untergebracht, zudem 1.000 Bücher. Nur einen kleinen Teil des Bestandes habe man in eine höher gelegene Mietwohnung nebenan retten können. Der Schaden ist noch gar nicht zu beziffern, versichert war man gegen Hochwasser nicht.
Melchers zeigen Videos von Helfenden. Ganze Familien haben sich in den letzten Tagen beim Ausräumen der Halle beteiligt – das hat die Galeristen berührt. Nun müsse man sehen, was von der Kunst noch zu retten ist – man denke bereits über eine Ausstellung mit zerstörter Kunst nach.
Ironie des Schicksals: Noch vor Corona hatte die Galerie Werke von Gideon Mendel gezeigt. Er porträtiert für seine Serie „Drowning World“ weltweit Menschen, die von Flutkatastrophen betroffen sind (Link MOVIEbeitrag von 2019). Wer hätte gedacht, dass eine unsere Region erreichen würde? Bald wird sich Gideon Mendel auf den Weg nach Aachen machen. Er plant seinen Besuch bei Melchers.

Es wird Abend über Stolberg.

Julia und Stef sind aus Büsbach zum Helfen vorbeigekommen

Julia und Stef aus Büsbach ruhen sich mit einem Feierabendbier bei Roberts Pub aus. Sie sind selbst nicht von Hochwasser betroffen, helfen aber seit Tagen den Menschen in der Steinstraße.

Nach mehreren Stunden vor Ort geht es auf den Rückweg. Unterwegs noch ein denkwürdiger Zwischenstopp.

René Weber hat im Hochwasser seine drei Cafés verloren.

Die niedliche gestreifte Fassade eines Hauses an der Salmstraße 32 sticht ins Auge. Auch hier fehlt das Schaufenster, es wird gearbeitet. René Weber, seine Lebensgefährtin, Angestellte und Helfer sind bei der Arbeit, versuchen, die Fensteröffnung mit Sperrholzplatten zu verschließen. René Weber betreibt drei Cafés in Stolberg, alle sind vom Hochwasser zerstört. Die Bäckerei und Konditorei in der Salmstraße stammt von 1928, ist die älteste Bäckerei Stolbergs, hier backe man noch selbst, und das seit 95 Jahren und in der dritten Generation. Der Eimer mit Sauerteigresten steht noch in der zerstörten Backstube. Der Gastraum mit vielen Jugendstilelementen ist ebenso zerstört, die Holzvertäfelung von den Wänden gerissen, selbst die Betriebswagen sind schrottreif. Vier Tage lang habe man mit zehn Leuten sauber gemacht, erzählt Weber, der sich, als das Wasser kam, gerade noch aus dem überfluteten Erdgeschoss durch eine Türe nach oben retten konnte. Seine Backstube lebt vor allem vom Café und den Menschen, die hier frühstücken. Gerade erst vor 14 Tagen habe man nach Corona den Betrieb wieder hochgefahren. Die Reserven waren da schon aufgebraucht. Nun stehe man vor dem Ruin – an eine Wiedereröffnung seiner drei Cafés glaubt René Weber nicht. Wenn doch, lade er mich jetzt schon zum Backen ein, lacht er kurz – der letzte Funke Hoffnung ist noch nicht ganz erloschen.

Wer helfen möchte, findet hier Möglichkeiten (bei Stolberg auf die Facebookseite achten):
movieaachen.de/hochwasser-in-der-region-aachen-dueren-so-kann-man-helfen

Touristische Besuche „zum Gucken“ kommen nicht gut an, verärgern die Menschen und behindern Hilfsorganisationen vor Ort.

Fotos: Birgit Franchy

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