Der ivorische Künstler Ange Arthur Koua, 1989 in Abidjan geboren, arbeitet mit Textilien, der abgelegten Kleidung der Menschen. Aus dem Leben heraus, gefüllt mit Geschichten und Erinnerungen, erzählt die Kleidung davon. Seine Arbeiten stehen in ihrer Materialität, aber auch in ihrem partizipativen Ansatz für eine Auseinandersetzung mit den Geschichten einzelner Personen, die in ihrer Individualität Wertschätzung erfahren und Teil eines großen Ganzen werden. Kunst wird hier als verbindendes Element verstanden, das uns einerseits die Möglichkeit gibt, über Kontinentgrenzen hinaus Einblicke in andere Kulturen und Sichtweisen zu gewinnen und andererseits auch unsere eigene Perspektive zu reflektieren und zu diskutieren.

Koua sieht das Ungleichgewicht einer Welt, die seit Jahrhunderten und Jahrtausenden auf Ausbeutung beruht und in welcher der Reichtum des einen auf der harten Arbeit des anderen basiert. Am Ende, so Koua, hängt doch alles zusammen – wir alle sind Komplizinnen und Komplizen in einer Welt, die auf Ungerechtigkeiten beruht. Was wir tun können? Das fragt sich auch der Künstler und plädiert auf Sichtbarkeit jenes Ungleichgewichts und auf ein kollektives Suchen nach Antworten und neuen Formen des Zusammenlebens.
In Vorbereitung seiner Ausstellung reiste Koua in die Dörfer, in denen Kakao und Kaffee angebaut, geerntet und verkauft wird. Diese Lieferkette steht für ihn exemplarisch für den Welthandel und die damit verbundenen Diskrepanzen zwischen Produzenten und Abnehmern. Eine Ernte, die viel Arbeit und Herzblut erfordert, dessen Wert aber nicht an Arbeitsstunden, sondern an Weltmarktpreisen gemessen wird – die Grundlage einer kapitalistischen Gesellschaft, in welcher ein Individuum wenig bis gar keine Macht hat. Als Künstler möchte Ange-Arthur seine Macht nutzen, über seine Kunst gesehen und gehört zu werden und damit zum Nachdenken anzuregen. Denn wo ein Individuum nicht viel ausrichten kann, zählt die Macht des Kollektiven.

Eine Besonderheit stellt das Material dar, das Ange-Arthur Koua verwendet: Er arbeitet vorwiegend mit Textilien unter einem Recyclingaspekt und als Appell gegen unsere Wegwerfgesellschaft. Für eine Installation zum Thema Import/Export verwendet er bewusst Säcke, in denen Kakao- und Kaffeebohnen in Côte d’Ivoire geerntet und transportiert wurden, ein erster Schritt auf ihrer Reise in unser Supermarktregal.

In der Kultur der Akan, welcher Koua angehört — es gibt mehr als 60 verschiedene Ethnien in Côte d’Ivoire — spielt Kleidung eine besondere Rolle: Ihr wird nachgesagt, dass sie ein Teil der DNA der Menschen innehat. Wenn ein Mitglied der Akan-Kultur stirbt, kann die Kleidung lediglich an Angehörige weitergegeben werden, oder die Person wird damit begraben. Für Koua wird Kleidung somit zum Zeuge des Erlebten und der Geschichte eines oder einer Einzelnen.

In Kouas Erfahrung sind Menschen sich dann besonders verbunden fühlen, wenn sie Teil von etwas sind. So hat er für seine ersten Arbeiten in seinem Viertel in Abobo, dem bevölkerungsreichsten und zugleich ärmsten Quartier in der wirtschaftlichen Hauptstadt Abidjan, Kleidungsstücke gesammelt und zusammengefügt. Wissend um einige Konflikte zwischen Nachbarn — in der Côte d’Ivoire sind ethnische Konflikte häufig Grund für Unruhen im Land, dies ist eine Folge des Kolonialismus und der Grenzziehung im Rahmen der Berlinkonferenz 1885 — kombinierte Koua bewusst Elemente aus Kleidungsstücken von verfeindeten Personen. Er sagt dazu: „Will man sich also vor ‘seinem’ Anteil fotografieren, ist der des Feindes automatisch mit drauf. Man muss sich damit arrangieren, dass man eine Einheit bildet und das zwangsläufige Miteinander und Koexistieren akzeptieren. Das gibt hoffentlich über die Kunst hinaus zu Denken.“
Ist es möglich ein Gleichgewicht mit den Menschen zu schaffen, auf denen unser Konsum sich begründet? Oder ist die Welt geschaffen, um in Ungleichgewicht zu sein?

Eröffnung: Samstag, 15. April 2023, 18:00 Uhr

Performance | Christian Romain Kossa wird eine Performance zeigen, die er spezifisch im Dialog mit den künstlerischen Arbeiten von Ange Arthur Koua entwickelt und präsentiert. Koua und Kossa kooperieren schon seit geraumer Zeit im Rahmen des Kollektivs TRIPLE A, welches Performance-Projekte im öffentlichen Raum in Abidjan/Côte d’Ivoire entwickelt. Der Schwerpunkt ihrer Kollaboration liegt in der Interdisziplinarität der Kunstformen, wie auch im Atelierhaus Aachen und der Auseinandersetzung mit kulturellen, historischen und politischen globalen wie lokalen Fragestellungen.

Partizipatives Kunstwerk | Gemeinsam kann ein Kunstwerk aus abgelegter Kleidung geschaffen werden. Gerne kann auch nicht mehr gebrauchte Kleidung von zu Hause mitgebracht werden. Die Möglichkeit, intensiver an dem Kunstwerk zu arbeiten gibt es auch noch einmal am 22.04.2023.

Programm | 22. April 2023

15:00 Uhr: Workshop | Partizipatives Kunstwerk: Kleidungsstücke werden zerschnitten, beliebig angeordnet und mit Hilfe von Nadel, Faden und Klebstoff verbunden.
18:00 Uhr: Diskursformat | Zum Thema Machtverhältnisse und Utopien des Zusammenlebens als Weltgemeinschaft


16. April — 7. Mai 2023
Öffnungszeiten: Di-Do 10:00—16:00 Uhr, Sa/So 12:00–16:00 Uhr
Eröffnung: Samstag, 15. April 2023, 18:00 Uhr

Führungen nach Vereinbarung – vom 15.04. bis zum 25.04. ist der Künstler vor Ort
Die Angebote sind kostenlos. Der Künstler spricht Französisch, es erfolgt eine simultane Übersetzung ins Deutsche oder Englische

Atelierhaus Aachen | DEPOT
Talstraße 2 · 52068 Aachen
atelierhausaachen.de

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